Wenn Eltern sich trennen:

Deutschland und zahlreiche weitere Länder der „alten Welt“ blicken einer kinderarmen Zukunft entgegen – das zum einen. Zudem wächst hierzulande jedes dritte Kind als ein Kind getrennter Eltern heran. Wenn eine Scheidung als etwas Selbstverständliches wahrgenommen wird, das „eben mal passieren kann“, weil „die Zeiten“ so sind, muss auch eine (zumindest scheinbar) schlüssige und zugleich beruhigende Argumentation für geschiedene Eltern gefunden werden. Die Post-68er hatten diesbezüglich schnell den Dreh raus: Hauptsache eine „gute“ Scheidung, posaun(t)en die modernen Eheabbrecher, und: Nichts ist schlimmer für Kinder als ehelicher Streit. Diese aus Elternsicht formulierten Wunsch-Thesen wurden zu einer Art Dogma stilisiert, das es nicht mehr zu hinterfragen galt bzw. gilt. Und das Schlimme daran: Das Dogma ist mittlerweile durchaus „mehrheitsfähig“ ... Doch hat die Mehrheitsmeinung – wie auch immer sie zustande gekommen sein mag – zumindest in diesem Falle kaum eine Schnittmenge mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu der Angelegenheit. Die gelebte Realität der Scheidungskinder hat mit dieser Art „Mehrheitsmeinung“ wenig zu tun.

Massiven Widerspruch zu dieser (für geschiedene Eltern!) oft bequemen Einstellung meldet nun die amerikanische Sozialforscherin Elizabeth Marquardt in ihrem Buch „Kind sein zwischen zwei Welten - Was im Inneren von Kindern geschiedener Eltern vorgeht“ an: In einer bahnbrechenden Studie hat sie 1.500 Männer und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren aus geschiedenen und nichtgeschiedenen Ehen befragt. Die großangelegte Studie entfachte in den USA eine heftige Diskussion. Die Erkenntnisse der Studie haben Eingang in das sehr gut lesbare und über weite Strecken äußerst spannende Buch gefunden, das allen, die mit Kindern und Eltern im engeren wie im weiteren Sinne zu tun haben, zu einer Pflichtlektüre werden sollte. Denn auch in der hier zur Diskussion stehenden Problematik – wie in vielen anderen Dingen - ist konsequentes Umdenken angesagt, um zu einer Sicht zu gelangen, die sich ausschließlich an seriösen wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert und nicht an ideologischem Wunschdenken bestimmter Gruppen, die allzu oft die (mediale) Meinungsführerschaft für sich beanspruchen. Marquardt schreibt dazu: „Alle Schönrederei von Scheidung ist nur dazu da, Eltern ein gutes Gewissen zu machen. Aber das ist nicht die Wahrheit der Kinder. Selbst eine gute Scheidung gestaltet die Kindheit der meisten Kinder neu und macht sie zu Reisenden zwischen zwei häufig sehr verschiedenen Welten.“ Die Stichworte hierfür lauten Zerrissenheit und emotionale Not!

Marquardt ist in ihrer Studie für viele Zeitgenossen zu äußerst verstörenden Ergebnissen gekommen: So auch, dass der auf Scheidungskindern lastende Druck hinsichtlich Verantwortung und Selbstständigkeit – und damit einhergehend auch der prägende Verlust kindlicher Unbeschwertheit! - sie im Gegensatz zu „Nicht-Scheidungskindern“ zwei- bis dreimal so oft in schwere soziale und emotionale Probleme zieht. Damit entsteht eine Gratwanderung, die Kinder und junge Menschen oft auch zu Drogen, sehr frühem Sex, versteckter Einsamkeit und in diverse Formen von Depression führt. Kurzum: Scheidung nimmt Kindern oft die Kindheit, sie spaltet deren inneres Leben und Erleben und macht sie zu frühreifen Profis und trickreichen Mittlern in der Kommunikation zwischen ihren geschiedenen Eltern. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Wahrheit können in dieser Konstellation in einem jungen Leben schnell auf der Strecke bleiben. Das Buch plädiert für mehr innere Hinwendung zu den Kindern, für mehr Empathie und Achtsamkeit.

Und noch eine empirisch einwandfrei belegte Aussage steht konträr zur vorherrschenden Meinung und hat – zu Ende gedacht - fundamentale Konsequenzen: Kinder fühlen sich in normal streitgeladenen Ehen sichtlich glücklicher und geborgener mit ihren Eltern in einem Zuhause als Scheidungskinder, die „dank“ der räumlichen Trennung der Eltern von diesen keinerlei Streit, Gezänk und Gezoffe (mehr) miterleben müssen!

Eltern, Kinder, junge Menschen sind in unserer Branche die „Hauptzielgruppe“ – egal ob Freizeitpark, Indoor-Spielplatz, Science Center, Zoo oder Freizeitbad. Alle in unserer Branche Arbeitenden tragen daher auch für das Seelenheil der Kinder, die in unseren Freizeitanlagen Freude, Spaß, Ermutigung und wohl auch Ablenkung erleben wollen, in unterschiedlichem Maße Verantwortung. Deshalb erachten wir es für wichtig, Sie auch über wissenschaftlich solide belegte Erkenntnisse wie die des anempfohlenen Buches zu informieren und Sie zu motivieren, die im Buch dargestellten Erkenntnisse, wann und wie immer es möglich ist, in Ihrer täglichen Arbeit zu bedenken in dem Sinne, das aus dem Lot Gekommene zu richten und es in belastbarer Balance neu zu justieren. Marquardt formuliert die zentrale Aufgabe wie folgt: „Wie lässt sich erreichen, dass weniger Kinder in durch Scheidung getrennten Familien und mehr in einem sicheren Zuhause aufwachsen können?“

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Elizabeth Marquardt: Kind sein zwischen zwei Welten. Was im Inneren von Kindern geschiedener Eltern vorgeht. Paderborn: Junfermann 2007.