Ab ins Grüne!

„Die Zukunft gehört denen, die sich die Natur zurück in ihr Leben holen.“ Diese These ziert bereits das Frontcover des Buches Das Prinzip Natur von Richard Louv und sie zieht sich wie ein roter Faden durch das 335 Seiten starke Werk. Der Autor, US-Amerikaner, ist in seiner Heimat eine authentische und anerkannte Institution, wenn es um den Problemkreis Natur und gesellschaftliche Implikationen geht. Er klagt – im Unterschied zu vielen politischen Postenträgern in Mitteleuropa – niemanden an (Stichwort CO2-Fußabdruck), sondern holt mit seinen Beobachtungen und reichen Erfahrungen, seinem Wissen und seinen Überlegungen die Menschen dort ab, wo sie sind: im stressigen und allzu oft unübersichtlichen Alltag! Was ihn schmerzt und ihn umtreibt, ist der in den letzten zwei, drei Jahrzehnten massiv zu beobachtende Bedeutungsverlust originärer authentischer Naturerfahrungen – einhergehend mit massivem Bedeutungsgewinn von Fernsehen, Computer/Computerspielen, Smartphone & Co.

Richard Louv brachte den Terminus Naturdefizit-Störung in die öffentliche (und akademische) Diskussion und postuliert: Je mehr Hightech uns umgibt und uns beherrscht, desto mehr Natur brauchen wir – zum körperlichen wie psychischen Balance-Ausgleich. Er beobachtet mit Sorge, dass heutzutage Kinder in der Natur eine fast aussterbende Spezies sind und weiß um die Konsequenzen fehlender quantitativer wie qualitativer Naturerfahrung: Fluchten in virtuelle Welten, Hyperaktivität resp. ADHS, gestiegene Gewalt- und Suchtgefahr wie auch gleichermaßen eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen wie auch gegenüber Natur und Umwelt. Statt Arzt oder Psychotherapeuten zu konsultieren, verordnet Louv den großen und kleinen Stubenhockern die Natur als Heilmittel!

Louvs erstes, in zahlreichen Sprachen erschienenes Buch heißt Das letzte Kind im Wald. Schon in diesem wie auch im aktuellen Buch berichtet er von unterschiedlichsten und sehr erfolgreichen Möglichkeiten, Kinder wie auch Erwachsene zurück zur Natur zu holen, sie für die Natur-„Therapie“ zu gewinnen. Damit einher geht zudem ein positiver Wandel der Welt- und Ichsicht. Im Gegensatz zu dem hierzulande und anderswo grassierenden Trend zur (erlebnis- wie emotionsbefreiten) sog. Umwelterziehung, die vor allem Ängste und Schuldbewusstsein fördert (wiederum sei an das im wahrsten Sinne unsägliche Schlagwort „CO2-Fußabdruck“ erinnert), weil im Zentrum dieser (Anti-)Pädagogik zuvörderst all die Gefahren stehen, die sich durch Natur- wie Klimawandel ergeben, orientiert Richard Louv im positiven Sinne auf Möglichkeiten, Chancen und Aufgaben, die uns erwarten: In einem Vortrag vor 200 Schülern spricht Louv u.a. über die „zunehmenden wissenschaftlichen Hinweise, dass Erlebnisse in der freien Natur die Lern- und Denkfähigkeit fördern, die Sinneswahrnehmung erweitern und die körperliche und geistige Gesundheit verbessern.“ Louv staunt über die ungeteilte Aufmerksamkeit von Seiten der Schüler. Ein Lehrer erklärt ihm das Phänomen: „Sie haben etwas Positives über die Zukunft der Umwelt gesagt. Das hören die Schüler sonst nie“ (S. 304).

Louv präsentiert eine Fülle von praktikablen Ideen und Erfahrungen, die uns die Natur als Mittel zur Entschleunigung und als unverzichtbaren Ruhepol im hektischen Alltag nahebringen. Er erzählt von der Begegnung mit einer Schulklasse folgende Geschichte – auf Louvs Frage nach der Beziehung zur Natur antwortet eine Fünftklässlerin: „Wenn ich im Wald bin, fühle ich mich total zu Hause. Es ist so friedlich dort, und die Luft riecht so gut. Es ist einfach ganz anders dort. Manchmal gehe ich in den Wald, wenn ich wütend bin – und dann ist es dort so friedlich, dass es mir gleich wieder bessergeht. … Und dann haben sie den Wald einfach abgeholzt, es war, als ob sie ein Stück von mir selbst abgeholzt hätten“ (S. 286 f.).

Weshalb diese Buchbesprechung hier? Insbesondere für Freizeitparks wie auch Zoos ist die Natur wesentlicher integraler Bestandteil des „Angebots“. Die Themen Natur, Umwelt & Umweltschutz zeigen zunehmende Präsenz in Freizeitparks und Zoos. Doch leider werden diese Themen noch oft mit der Holzhammer-Methode präsentiert, so dass der interessierte Besucher hernach eher hängenden Kopfes von dannen zieht, weil ihm grausam bewusst gemacht wurde, wie er durch umweltschädigendes Verhalten (fährt Auto mit 150 PS, fliegt mit der Familie in den Urlaub, will‘s im Winter warm haben in der Hütte, geht gerne in die Sauna … und fährt zu allem Überdruss einmal im Jahr zu einem Formel 1-Rennen) einen CO2-Fußabdruck jenseits eines wie auch immer definierten Durchschnittes hinterlässt, was ihn Zeit seines Lebens grämen soll, sofern er sein Verhalten nicht sofort und radikal ändert … OK, so kann man‘s machen – nur werden derlei „Angebote“ langfristig keinen Erfolg, sprich Zuspruch finden, keine Herzen erwärmen und nur höchst selten tatsächlich zu Verhaltensänderungen führen. Wie das Thema Natur, Umwelt & Umweltschutz auch anders und wesentlich glaubhafter, sprich authentischer vermittelt werden kann (es geht letztendlich um die ganz persönliche „Bindung“ zur Natur), zeigt Richard Louv sowohl in diesem wie auch in seinem früheren Buch! (GF)

Richard LOUV: Das Prinzip Natur. Grünes Leben im digitalen Zeitalter. Weinheim: Beltz Verlag 2012.